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Gedanken zu einer Didaktik der Schule mit Blick auf den konfessionellen Religionsunterricht

 Islamischer Religionsunterricht in der Schule und qur`anische Didaktik

Im Rahmen des Bildungs- und Erziehungsauftrages der Schule wollen die Islamischen Religionsgemeinschaften die Möglichkeiten der Erteilung des Religionsunterrichtes wahrnehmen und damit ihrer gesellschaftlichen Erziehungsverantwortung auch in der Schule nachkommen. Sie tun dies nach ihrem Bekenntnis des Qur`ans und der Sunna des Gesandten Muhammad sas. Damit leistet der islamische Religionsunterricht seinen spezifischen Beitrag zum Erziehungs- und Bildungsauftrag des Heranwachsenden in der Schule.

Das allgemeine Ziel des Religionsunterrichtes dient den SchülerInnen zur religiösen Orientierung im Licht des islamischen Glaubens.  Der Unterricht macht die SchülerInnen mit den Quellen des Glaubens bekannt. Im Mittelpunkt steht die Schrift, der Qur`an und seine Wirkungsgeschichte.

Der IRU  fragt nach dem Sinn menschlichen Daseins und der Beziehung der Schöpfung zum Schöpfer, gemäß der Fitra des Menschen, die natürliche Art und Weise, in der Gott die Menschen geschaffen hat.  Die SchülerInnen sollen zu einem selbstverantworteten begründeten Handeln hingeführt werden und sich die Welt mit den Selbstmitteilungen des Schöpfers  erschließen können. Es soll ihm ermöglicht werden, sich  in der Einheit  (tauhid) zu verorten.

Dabei hat der RU darauf zu achten, dass die Lebenserfahrung der Kinder aufgegriffen und in Korrelation zum Glauben und Glaubenspraxis gesetzt werden. Dass die SchülerInnen in der Schule sehr unterschiedliche Voraussetzungen für den Unterricht mitbringen und dass in unserer Gesellschaft die Mehrzahl muslimischen Kinder die noch nicht verarbeitete Migrationerfahrung ihres Elternhauses mit einbringen, muss berücksichtigt werden.  Diese Erfahrung ist mit der notwendigen Behutsamkeit aufzugreifen und anhand von Glaubenstraditionen zu verarbeiten, um das Kind zu befähigen, ein aktives und zum positiven Handeln motiviertes Mitglied der Gesellschaft zu werden. Die Glaubensvorstellungen der Kinder werden kindgemäß theologisch aufgegriffen. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Kinder selbst wichtige und wesentliche Beiträge zur „Theologie der Kindheit“  beitragen können. Die SchülerInnen sollen befähigt werden, ihr persönliches Engagement für den Glauben und die Verwirklichung eines islamisch/religiösen Lebens, aus den offenbarten Texten und der reichen Tradition  zu entdecken.

Das bedeutet, dass LehrerInnen, SchülerInnen und Erziehungsberechtigte  im IRU zusammenarbeiten und bei der Bestimmung von Inhalten und der Durchführung des Unterrichts zusammen wirken.

Wie alle übrigen Religionsgemeinschaften, die ihr Recht auf Anbietung von Religionsunterricht in der Schule wahrnehmen, entwickelt auch der Islamische Religionsunterricht für die Schule eine eigene, auf den Grundlagen des Glaubens  (Qur`an als der grundlegenden Quelle religiösen Glaubens),  basierende Didaktik.

Diese qur`anische Didaktik für die Schule wurde erstmals vom IPD entwickelt, wie auch die Rahmen- und Lehrpläne.  

Die Schülerschaft als die Mitte des IRU

Die Personalität der Schüler und Schülerinnen steht im Mittelpunkt des Unterrichts. Qur`anisch, wie auch entwicklungspsychologisch verankert, wird davon ausgegangen, dass es die SchülerInnen sind, die die Leistung des Lernens erbringen;  nur die lernenden Subjekte können sich Wissen und Lernstoff aneignen. 
(Allah) sprach: "O Adam, nenne ihnen ihre Namen. “ [Qur`an 2:33][1]
 
Der Islam spricht sich gegen jedwede Überwältigung und Indoktrinierung der Angesprochenen aus und fordert die Freiheit in der Entscheidung zum Glauben einschließlich der negativen Glaubensfreiheit. Es gibt keinen Zwang im Glauben. Der richtige Weg ist nun klar erkennbar geworden gegenüber dem unrichtigen......[ Qur`an 2:256]. Und wenn unter euch solche sind, die an das glauben, womit ich gesandt worden bin, und andere, die nicht (daran) glauben, so habt Geduld, bis Allah zwischen uns richtet......"[Qur`an 7:87] Entscheidungen und Auffassungen sollen für den Einzelnen begründbar sein, nicht Vorgesagtes fraglos nachgeahmt werden. (Individuelle Selbstständigkeit des Subjektes).

......und mir ist befohlen worden, gerecht zwischen euch zu richten. Allah ist unser Rabb und euer Rabb. Für uns unsere Werke und für euch eure Werke! Kein Beweisgrund ist zwischen uns und euch. Allah wird uns zusammenbringen, und zu Ihm ist die Heimkehr."[Qur`an 42:15]

Unterricht, Bildung und Erziehung sind individuell-reflexiv zu gestalten und werden vom Lernenden aufgrund seiner Vorerfahrungen  unterschiedlich gewertet.
Diese prinzipielle Offenheit für Differenz fördert das kritische Urteil, es ist Bejahung ethisch moralischer und weltanschaulich/religiöser Pluralität.

Im qur’anischen Menschenbild und damit in de qur’anischen Didaktik nimmt das Fragen und Hinterfragen einen hohen Stellenwert ein, was durch die Häufigkeit der Erwähnung des Themas unterstrichen wird. Es wird davon ausgegangen, dass der Lernprozess nur durch kritische Anfrage in Gang gesetzt wird.

Sehen sie denn nicht, wie Allah die Schöpfung hervorbringt und sie dann wiederholt? Das ist wahrlich ein leichtes für Allah.[Qur`an 29: 19] Haben sie sich denn über sich selbst keine Gedanken gemacht? Allah hat die Himmel und die Erde und das, was zwischen beiden ist, nur in gerechter Weise und für eine bestimmte Frist geschaffen.......[Qur`an 30:8]

Im IRU geht es auch, aber nicht ausschließlich um kognitive  Wissensvermittlung, noch um reine Katechese, sondern um ethisch/religiöse ggf. auch konfessionell religiöse Erziehung und Bildung. Der Unterricht ist also nicht nur kognitiv, sondern auch affektiv zu gestalten. Die Ziele dienen der Persönlichkeitsentwicklung der Heranwachsenden.

Die SchülerInnen ziehen im Lernprozess individuelle Rückschlüsse. Die Leistung der Lernenden besteht darin, sich über den Lernstoff Gedanken zu machen, indem sie das Erfahrene mit ihrem Weltbild konfrontieren und deuten.  Durch eine Didaktik der Fragen werden die SchülerInnen angeregt, strategisch zu denken und Lösungen für anstehende Fragen zu entwickeln und sie erfahren, dass sich andere Menschen zum gleichen Thema ggf. andere Gedanken machen und differente Meinungen gebildet haben. So entsteht ein Respekt vor der Persönlichkeit und der gedanklichen Leistung anderer, welches in der Gemeinschaft zu mehr sozialer Kompetenz führt. Gleichzeitig wird aber auch eine gedankliche Verarbeitung eigener Erfahrungen angeregt und Verhaltensänderungen können als selbstverständlichen Entwicklungsprozess verstanden werden. alle menschlichen Antworten, auch die der Reflexion über offenbarte Texte, sind immer nur Teilantworten, vorläufige Antworten, da der Mensch Geschöpf ist.

...und (für jene,) die auf ihren Herrn hören und der Anbetung gedenken und deren Handlungsweise (eine Sache) gegenseitiger Beratung ist, und die von dem spenden, was Wir ihnen gegeben haben,[Qur`an 42:38]  

Die Aussagen der Offenbarung zeugen von der Aufforderungen zu Fragen und nachzudenken und eigene Standpunkt zu begründen.

(Fragt euch doch) Wer ruft denn zum Beginn die Schöpfung hervor und wiederholt sie hierauf, und wer versorgt euch vom Himmel und von der Erde? Existiert wohl ein Gott neben Allah? Sprich: "Bringt euren Beweis herbei, wenn ihr wahrhaftig seid."[Qur`an 27:64]

Der Qur`an stellt einen lebhaften Dialog unter den Geschöpfen und mit dem Schöpfer her, in dem die Menschen um Bewältigung die existentiellen Lebensfragen ringen; und von der Offenbarung und Selbstmitteilung Gottes Aufforderung fordern.

Und sie sagen: "Wenn wir zu Gebeinen und Staub geworden sind, sollen wir dann wirklich zu einer neuen Schöpfung auferweckt werden?"[17:49].

DIN (Religion) ist Erleichterung von der Last menschlicher Unzulänglichkeiten und Ängsten und will einen Rahmen zur Orientierung in der Welt schaffen, in der wir leben, sowie gleichzeitig über die diesseits bezogenen innerweltlichen Werte hinausweisen.  Dabei ist er Mensch auf die barmherzige Nähe des Schöpfers verwiesen.  

Allah will eure Bürde erleichtern; denn der Mensch ist schwach erschaffen.[Qur`an 4:28] .....Wir sind ihm (dem Menschen) näher als (seine) Halsschlagader.[Qur`an 50:16].... "Wem gehört das, was in den Himmeln und was auf Erden ist?" Sprich: "Allah." Er hat Sich Selbst Barmherzigkeit vorgeschrieben. Er wird euch gewiss versammeln bis zum Tage der Auferstehung. ...[Qur`an 6:12]

Zu den ethischen Zielen im IRU gehört selbstverantwortetes Handeln, im Bewusstsein der Würde, die dem Menschen (allen Menschen) vom Schöpfer verliehen wurde.

Das Kind soll befähigt werden, über sich selbst und seinen Ursprung zu reflektieren. Es soll erfahren, dass es das vom Schöpfer gewollte und geliebte Geschöpf ist.

Und wahrlich, Wir haben die Kinder Adams gewürdigt und sie über Land und Meer getragen und sie mit guten Dingen versorgt und sie ausgezeichnet - eine Auszeichnung vor jenen vielen (anderen Geschöpfen), die Wir erschaffen haben.[Qur`an 17:70]......Lieben wird euch Allah und euch gnadenvoll vergeben; denn Allah ist Allvergebend, Barmherzig."[Qur`an 3:31]

Der Heranwachsende soll verstehen, dass das Leben auf der Erde begrenzt ist, im Jenseits aber eine Fortsetzung erfährt, er soll reflektieren, dass die eschatologische Seite des Lebens eine Rückkehr zu seinem Ursprung ist.

Nur die können (etwas) aufnehmen (lernen), die zuhören. Die Toten aber wird Allah dereinst erwecken; dann sollen sie zu Ihm zurückgebracht werden.[Qur`an 6:36]

Die SchülerInnen sollen verinnerlichen, dass das Geschenk des Lebens in Freiheit vom Schöpfer verliehen wird und mit seiner gesamten Existenz in Einklang steht.

Sie sollen eine Erziehung erfahren, die es ihnen ermöglicht für die Sozietät, in der wir  leben und in der Globalität von Welt,  die positiven gerechten und innovativen Seiten menschlichen Daseins fördernde Mitglieder sein zu wollen. 

Jeder hat eine Richtung, der er sich zuwendet. So wetteifert miteinander in gutem Handeln. Wo immer ihr auch seid, Allah wird euch allesamt zusammenführen; wahrlich, Allah hat Macht über alle Dinge.[Qur`an 2:148]

Zur Vermittlung von Unterrichtsstoff gehören Arbeitsweisen und Techniken, über die der Lernende sich den Lernstoff aneignen kann. Diese werden in der qur`anischen Methodenlehre festgelegt.  In den IRU gehören auch psychomotorische Umsetzungsmethoden. Qur`anisch  wird  eine Erziehung mit allen Sinnen gefordert,  wie sie auch die moderne Entwicklungspsychologie bejaht. 

Und Allah hat euch aus dem Schoß eurer Mütter hervorgebracht, ohne dass ihr etwas wusstet, und Er gab euch Ohren und Augen und Herzen, auf dass ihr danken möget.[Qur`an 16:78] Wie gut wird ihr Hören und Sehen an dem Tage sein, wo sie zu Uns kommen werden.[Qur`an 19:38]

Der Unterricht ist an den SchülerInnen orientiert. Sie werden in die Methodik des Unterricht und sogar in die Auswahl von Inhalten mit einbezogen. Ein Unterricht, der in seiner didaktischen Konzeption nicht davon ausgeht, dass die SchülerInnen im Mittelpunkt des Beschulungsinteresses steht, und der Lehrkörper nicht derjenige ist, der ihnen zur Entwicklung seiner natürlichen Fähigkeiten und Kräfte verhilft, sondern der davon ausgeht, dass die SchülerInnen mit Stoff abgefüllt werden, wie ein leeres Gefäß, muss in der Schule scheitern. Ein solcher Unterricht gehört auch nicht in die Schule.

Er gehört grundsätzlich in keinen verantwortlichen RU.

Die islamische Religionsgemeinschaft legt ihre Lehrpläne und Schulmaterialien vor,  die auf der Grundlage des qur’anischen Menschenbildes basieren und auf den  erwähnten Grundlagen der Schulgesetze der Landesverfassungen. Dies gilt ebenfalls für die Ausbildung der Lehrkräfte.

 

Fortbildungskonzepte und -inhalte für Lehrkräfte des IRU


 

[1] Benennungen der Begrifflichkeiten,  die der Schöpfe den Menschen kundgetan hatte.